Der Albtraum aller Filmvorführer: Die Technik k*ckt ab Oder: Was soll schon sonderlich schwierig sein am Kino-Machen?
Was soll schon besonders schwierig sein am Kino-Machen? DVD rein, Start drücken – Kino!
So oder so ähnlich stellt sich der unbedarfte Zeitgenosse das Kinoleben vielleicht vor. Dass die Wahrheit anders aussieht, haben die Besucher des Kleinen Kino am Weingarten am gestrigen Donnerstag erlebt. Die lang erwartete Spätnachmittags-Vorstellung des vielgelobten Biopic „Niki de Saint Phalle“ fiel aus.
Nun war es keineswegs unsere erste Film-Vorstellung, die ausfiel. Schon im September 2024 war uns das passiert. Damals mit der Neuverfilmung von Erich Kästners „Das fliegende Klassenzimmer“. Der Grund schlicht und ergreifend: Es war am frühen Sonntagmorgen um 10:30 Uhr kein einziger Besucher zum Kinder-Kino erschienen. Niemand. Nada. Null.
Das war gestern ganz und gar anders. Gut fünfzig Menschen lümmelten sich erwartungsfroh in die Kinosessel und harrten der Geschichte, die gleich folgen sollte.
Doch statt der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle trat kurz nach 17:30 Uhr die Initiatorin und Vereinsvorsitzende des Kleinen Kino, Astrid Engel in Erscheinung. Mit schlechten Nachrichten. Die Technik war abgeka … Entschuldigung: Die Technik streikte.
Statt Niki de Saint Phalle erschien Vereinsvorsitzende Astrid Engel im Rampenlicht
Derweil schwitzte der Autor dieser Zeilen, im Ehrenamt Filmvorführer h.c. des Kleinen Kino am Weingarten, Blut und Wasser in seinem Regie-Räumchen hinterm Kinosaal, wo er seit über einer Stunde versuchte zum Laufen zu bringen, was bis dahin noch jedesmal irgendwie zum Laufen gebracht worden war: die Technik, die Kino zum Leben erweckt.
Doch diesmal: keine Chance. Es wollte einfach kein Bild auf der Leinwand erscheinen. Und ohne Bild: leider kein Kino. Isso.
Dabei war der Ablauf seit Monaten erprobt und bewährt: Auf der Festplatte lagern die Filmdaten. Über den Adapter strömen sie ins MacBook, wo sie zum flüssig laufenden Film aufbereitet werden. Von dort geht’s für die Bilder zurück zum Adapter und in den HDMI-Ausgang. Der leitet die Daten per Kabel weiter zum Konverter, der das HDMI-Signal so aufbereitet, dass es per Datenkabel die Strecke zum Projektor millisekundengenau schafft. Und zwar so, dass es synchron läuft mit dem Tonsignal, das sich derweil aus der Audio-Buchse des MacBook schlängelt, über eine 3,5-Zoll-Klinke Richtung Mischpult läuft, wo es per XLR reingeht, zur Mischung kommt und dann weiter düst in die PA, die das Signal so aufpumpt, dass es – ebenfalls millisekundengenau – die Strecke zu den Audioboxen an der Bühne schafft. Das Ergebnis von allem: Kino.
Ein eingespieltes Team, ein eingespielter Ablauf. „Never change a winning team“, heißt es. Aber an diesem Spätnachmittag war einer der Teamplayer offenbar unpässlich. Und Filmvorführer Edgar Wilkening rätselte nicht nur seit über einer Stunde, welcher Mitwirkende es war und warum – sondern rätselt noch immer, bis zum heutigen Tag.
Denn: Ja – natürlich hatte er alle Geräte zwischendrin mehrfach neugestartet, neu verkabelt, neu initialisiert, neu aufgesetzt … Danke an alle für den megacoolen Insider-Tipp!
Als sich zehn Minuten nach angekündigtem Filmstart noch immer kein Lebenszeichen auf der Leinwand rührte, musste eine Entscheidung her. Und die lautete: Abbruch.
Zehn Minuten nach angekündigtem Film-Start musste eine Entscheidung her
Denn das ist das Schwierige an Kino, nein, eine der schwierigen Sachen an Kino – wie bei jeder Form von Live-Event: Das Publikum ist extra angereist, Die Zuschauer sind bereit, die Show kann beginnen – und genau in diesem Moment müssen alle Gewerke und Geräte, alle Mitwirkenden vor und hinter der Bühne, ganz gleich, ob Mensch oder Technik, auf den Punkt hundertprozentig einsatzbereit sein, ihre Aufgabe im Griff haben und ihren Job perfekt abspulen.
Weil Technik und Menschen immer mal ausfallen können, arbeitet man in hochprofessionellen, erst recht in sicherheitskritischen Bereichen mit Redundanzen, teils mehrfach: zweifach, dreifach …
Ein zweiter Beamer, eine zweite PA, ein zweiter Rechner, ein zweites Mischpult, ein zweites Kabelset, ein zweiter Adapter, ein zweiter Konverter, ein zweiter Filmvorführer …
Wenn das ganze Zweit-Geraffel nicht zum Einsatz kommt, weil alles fluppt wie gewohnt: unnötiger Ballast, Kostentreiber und Ressourcenverbrauch. Aber wenn ein oder mehrere Elemente ausfallen – oder sogar die gesamte Strecke?
Wenigstens nahmen es die meisten Besucher gestern mit Fassung und Humor. Die größte Sorge in diesem Moment galt weniger der Frage „Kriegen wir unser Eintrittsgeld zurück?“, sondern vielmehr: „Wird es einen Wiederholungstermin geben, damit wir Niki de Saint Phalle noch sehen?“
Vielen Dank für so viel Milde und Verständnis an alle Besucher, die gestern vergebens ins Kino gekommen waren!
Am Sonntag, 4. Mai bekommen Niki de Saint Phalle und der Filmvorführer ihre zweite Chance
Zumal die Antwort auf beide Fragen ganz eindeutig „Ja“ lautet. Alle Besucher bekamen ihr Eintrittsgeld zurück. Und das Team des kleinen Kino-Klubs hat entschieden: Niki de Saint Phalle und ihr Filmvorführer bekommen eine zweite Chance.
Am Sonntag, den 4. Mai um 18:00 Uhr startet der nächste Versuch, den Film auf die Leinwand zu bringen.
Der Ticket-Vorverkauf ist eröffnet. Jetzt bitte Daumen drücken, dass am 4. Mai alles klappt und Niki auch tatsächlich auf der Bühne erscheint. Wir tun unser Bestes.
Immerhin: Zur 20:00-Uhr-Vorstellung gestern von „The Room Next Door“ lief alles wieder tippitoppi. Warum? Ratlose Gesichter. Achselzucken. Wir wissen es nicht.
Autor: Edgar Wilkening (im Ehrenamt Filmvorführer h.c. des Kleinen Kinos am Weingarten)